Anklage wurde verlesen - Prozess auf 17 Tage angesetzt Erster Prozesstag: Applaus für Mollath

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Mit Beifall, Bravo- und Hurra-Rufen für Gustl Mollath (58) endete der erste Prozesstag seines Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Landgericht Regensburg. Seit Montag wird sein Verfahren neu aufgerollt, in dem geklärt werden soll: Hat er seine Frau misshandelt, eingesperrt und hat er 129 Reifen durchstochen? War er zu Recht in der geschlossenen Psychiatrie?

 
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„Es kommt zum Anruf die Strafsache Mollath, Gustl Ferdinand.“ Die Vorsitzende Richterin Elke Escher leitet die Sitzung ruhig, ohne Drängen, aber mit einigem Lächeln. Als „Reserve“ sitzen eine weitere Berufsrichterin und zwei zusätzliche Schöffen im Gericht, die im Krankheitsfall bei der Urteilsverkündung mitarbeiten müssen.

Verlesen wurden noch einmal die beiden Anklagesätze aus den Jahren 2003 und 2006. Darin wird ihm unter anderem vorgeworfen, seine Frau Petra M. (53) ohne Vorwarnung und ohne Grund mindestens zwanzig Mal mit beiden Fäusten auf den gesamten Körper geschlagen zu haben, sie gebissen zu haben, sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben und auf sie eingetreten zu haben, als sie wehrlos am Boden lag. Daneben soll er 129 Reifen von Autos durchstochen haben, deren Besitzer zum Umfeld seiner Frau gehörten oder mit seiner Scheidung zu tun gehabt haben. Seine Ex-Frau wird sich nicht in dem Prozess äußern, sie macht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Gegen ihren geschiedenen Mann muss sie nicht aussagen.

Was Mollaths Anwalt Gerhard Strate als „juristisch in Ordnung, moralisch eine Zumutung“ nannte. Er appellierte an sie, ihre Entscheidung zu revidieren. Die „Ungemach“, die einem Zeugen vor „vielen friedlichen Journalisten“ bereitet werden, sei nicht abzuwägen mit „dem Ungemach, das sie Mollath bereitet habe“. Mit ihren Aussagen habe sie ihn siebeneinhalb Jahre in die Psychiatrie gebracht. Demgegenüber habe es ein „Gewicht von Schwanenflaum – nämlich gar nichts“, sich den Journalisten zu stellen. Petra M. sagte unserer Zeitung, dass sie deswegen nicht aussagen wollen, weil sie in fünf Vernehmungen „bereits alles gesagt“ habe.

Mollath Webreportage

Dass Petra M. nur wegen der Presse nicht vor Gericht erscheine, sei „schlicht und ergreifend falsch“, sagte ihr Anwalt Jochen Horn. Sie habe sich diesen Entschluss reiflich und sehr lange überlegt. Der erste Prozesstag war ohne die Zeugin Petra M. bereits am späten Vormittag aus. Mollath zeigte sich in Interviews zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Prozesses.

Einige Unterstützer hatten in der Nacht vorher vor dem Gerichtsgebäude campiert. In einer Liste trugen sie sich ein, um die Reihenfolge des Einlasses zu klären. Denn es gibt nur 42 Sitzplätze für Zuhörer. Auch eine Demonstration unter dem Motto „Mollath – die Spitze des Eisbergs“ fand auf der Straße vor dem Gericht statt. Als Mollath das Gerichtsgebäude verließ, wurde er mit lauten Rufen begrüßt, viele Menschen klatschten Beifall. Die Polizei sicherte die Straße ab. Überhaupt waren die Sicherheitsvorkehrungen sehr hoch bei dem Prozess. Es gab getrennte Eingänge für Journalisten, Zuhörer und die Verfahrensbeteiligten. Sogar ein Polizeisuchhund kam zum Einsatz.

Der Prozess ist insgesamt auf 17 Tage angesetzt, es sind 43 Zeugen geladen. Mollaths Anwalt Strate stellte den Antrag, auch hohe Banker der Hypo-Vereinsbank als Zeugen zu laden. Sie sollten bestätigen, was Mollath als Wahn angelastet werde – aber Wirklichkeit gewesen sei: Dass Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre in großen Stil Schwarzgeld von Deutschland in die Schweiz geschafft worden sei. Mollath wurde 2006 auch untergebracht, weil man ihm ein Wahn-System unterstellte. Er habe eine Vielzahl von Personen mit Schwarzgeldverschiebungen in Verbindung gebracht. Er sah sich immer als Opfer einer Intrige seiner Frau, weil er sie deswegen angezeigt hatte.

Aber die Gutachter hatten ihm, über viele Jahre hinweg, ein Wahn-System unterstellt. Deshalb hatte sein Verteidiger Gerhard Strate bereits im Vorfeld ein Befangenheitsantrag gegen Münchner Gerichtspsychiater Norbert Nedopil gestellt – erfolglos. Auch Mollaths Wunsch, die Verhandlung ohne den Sachverständigen durchzuziehen, lehnte die Vorsitzende Richterin ab. Mollath hatte sich darauf berufen, dass er schlechte Erfahrungen mit Gutachtern gemacht habe. Die Richterin verwies auf die Strafprozessordnung, an die sie gebunden sei. Die schreibt einen Sachverständigen vor, wenn eine Unterbringung im Spiel ist. Ob Mollath nochmals begutachtet wird, steht noch nicht fest. Zuerst muss ihm nachgewiesen werden, dass er die ihm vorgeworfenen Taten auch begangen hat.

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