Daran ändert auch die Unterstützung der AfD nichts. Die deutschen Rechtspopulisten kamen nun zwar auf knapp 11 Prozent. Auch Marine Le Pens Rassemblement National aus Frankreich bestätigte ihr starkes Ergebnis von 2014.
Von einer Mehrheit der 751 Sitze ist das Salvini-Bündnis allerdings meilenweit entfernt. Selbst dann, wenn sich alle rechtsgerichteten Kräfte im Parlament zusammenschließen sollten, klappt es damit nicht. Hochrechnungen zufolge könnten am Ende knapp 180 Sitze herauskommen - rund 20 mehr als bislang. Doch die Einheit von Rechtsextremen, Rechtsnationalen, Rechtspopulisten und anderen Rechten im Parlament ist äußerst unwahrscheinlich. Es wird wohl mindestens zwei rechte Parteienfamilien im neuen Europaparlament geben.
Deutlich größer ist der Zugewinn von Grünen und Liberalen im Vergleich zur Europawahl 2014. Die Grünen könnten - beflügelt vor allem von ihrem Rekordergebnis im größten EU-Staat Deutschland - rund 15 Sitze hinzugewinnen und auf etwa 70 Parlamentarier kommen. Die Liberalen - mit der erwarteten Unterstützung der Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron - könnten etwa 35 Sitze dazubekommen und bei rund 100 landen.
Deshalb steht fest: Die bisherige informelle große Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten ist am Ende. Die Volksparteien sind längste Zeit Volksparteien gewesen. Um sich gegen die EU-Skeptiker und -Gegner sowohl rechts als auch links zu behaupten, werden Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale künftig noch häufiger zusammenarbeiten müssen.
Anders wird es dem Parlament auch nicht gelingen, sich bei der Wahl des Kommissionspräsidenten gegen die Staats- und Regierungschefs zu behaupten. Die Chancen für den CSU-Politiker und Spitzenkandidaten der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber, auf den EU-Kommissionschefsessel stehen eher schlecht. Dennoch betonte er am späten Abend noch seinen Führungsanspruch. Die Führungsfrage sei klar, die EVP habe als stärkste Fraktion das Mandat der Wähler.
Die nächsten Tage und Stunden könnten über sein politisches Schicksal entscheiden. Zumal ihm schon am Abend Gegenwind von Liberalen und Sozialdemokraten entgegenschlug - etwa von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Das Rennen ist eröffnet.