An jedem Prozesstag doziert Heinz W. und hält sich alles Persönliche fern Missbrauchs-Prozess gegen Ex-Chefarzt dauert deutlich länger

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Es wird ein langer Prozess um den Bamberger Chefarzt Heinz W. (49), der zwölf Patientinnen erst betäubt und dann missbraucht haben soll. Zusätzliche 21 Verhandlungstage hat das Landgericht Bamberg draufgepackt, mit einem Urteil ist also vor Ende September nicht zu rechnen. Das kam nicht überraschend. Jeder der fünf Prozesstage bisher zog sich in die Länge, jeden nutzte W., um lange ärztliche Vorträge zu halten. Fall für Fall will er so abhandeln. Auch am Dienstag erklärte er wieder Operationsmethoden, zitierte aus medizinischen Fachjournalen, warf mit Fachausdrücken um sich.

Heinz W. mit seinen Anwälten. Archivfoto: Otto Lapp Foto: red

Einen Satz aus einem Lehrbuch lässt Heinz W. auf seiner Zunge zergehen: „Da die Diagnostik im Niemandsland zwischen mehreren Fachgebieten, auch der Gynäkologie" – das Wort Gynäkologie betont er ganz besonders – viel zu selten gestellt werde, überblicke die Wissenschaft nur sehr wenige Fälle. Daraus ergebe sich ganz klar: Seine Handlungen seien nicht sexuell motiviert gewesen. Forschung statt Befriedigung. Auch die Fotos, die er von den betäubten Frauen angefertigt habe, hätten keinen sexuellen Hintergrund. Er habe sie nicht verbreitet oder sie jemand anderem gezeigt. Dass er alles zu seiner Befriedigung gemacht habe, lasse er sich nicht unterstellen. Die „erfolglose Suche der Ermittler an allen möglichen Orten wird das unterstreichen“. So spricht jemand, der von seiner Unschuld überzeugt ist.

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Auch ihm stehe ein faires Verfahren zu

Überhaupt, wie mit ihm während der Ermittlungen umgegangen worden sei, sei „völlig unverständlich“, schimpft Heinz W., denn auch ihm stehe ein faires Verfahren zu. Auch seien „die acht Monate Haft verbunden mit der ständigen Angst vor Übergriffen nicht spurlos an mir vorübergegangen“, jammert er. Deswegen habe er auch mehr Zeit für seine Verteidigung gebraucht.

In der Pause jedoch zeigt sich ein anderer Angeklagter. Einer, der mit dem Rücken zur Tür sitzt, das Gesicht der Wand zugewandt, den Kopf und die Schultern gesenkt. Wie nebenbei blättert er in den Akten, zieht die Ärmel seines grauen Anzuges zurecht, seine Knie zittern, die Augen hat er nach unten gerichtet, Blicken aus dem Publikum weicht er aus. Bis zu 15 Jahren Haft drohen Heinz W..

Der Staatsanwalt sagt, die Handlungen seien teilweise als Vergewaltigung zu werten

Fast zwei Stunden hatte sich das Gericht 40 Fotos angeschaut, die er von sedierten Frauen gemacht hatte. Sie zeigen ihren Intimbereich und welche Handlungen er an ihnen vollzogen hat. Handlungen, von denen er sagt, ihn hätten reine Forschungszwecken für seltene Venenerkrankungen dazu angetrieben. Von denen der Staatsanwalt sagt, sie seien teilweise als Missbrauch, sogar als Vergewaltigung zu werten.

Zwei Stunden lang wurden Zuschauer und Journalisten vor die Tür geschickt, um die Frauen zu schonen. Bernd Weigel, Pressesprecher am Oberlandesgericht, sagte, W. habe „in medizinischer Hinsicht Angaben gemacht“. Die Fotos seien gemacht worden, um die Fälle zu dokumentieren, habe W. gesagt. Gericht, Staatsanwalt, Sachverständige und die Nebenklageanwälte der betroffenen Frauen stellten Fragen – mehr durfte der Pressesprecher nicht sagen.

Anwalt wil einen Vergleich mit Fotos aus medizinischen Lehrbüchern

Klaus Bernsmann, einer der Anwälte von W., zeigt sich zufrieden. Es gelinge W. immer mehr, die rein medizinischen Zwecke seines Tuns dem Gericht und der Staatsanwaltschaft zu vermitteln“, sagt er. Bernsmann will jetzt Fotos aus medizinischen Lehrbüchern an die Gerichtswand projizieren, um zu zeigen: Würde jemand unbefangen an die Fotos herangehen, man würde W. keine Vergewaltigung vorwerfen. Das könne man sich nur dazu denken.

Auch in den nächsten Verhandlungstagen wird W. auf einzelne Fälle eingehen. Noch werden die betroffenen Frauen nicht aussagen. Außerdem liegt noch ein Antrag von W.s Verteidiger beim Gericht. Das muss entscheiden, ob Staatsanwalt und ermittelnde Beamte in den Zeugenstand müssen. Denn die sollen die Frauen bei den Vernehmungen beeinflusst haben. Außerdem sei keine Frau dabei gewesen, als ein Polizist ihnen Fotos ihres Intimbereichs vorlegte.

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