An Helgolands Felsenküste Nester voller Plastik: Basstölpel und die tödliche Gefahr

Fast in allen Basstölpelnestern auf Helgoland sind Plastikteile verbaut. Das künstliche Nistmaterial, das die Vögel statt Algen verwenden, wird auch für andere Vogelarten zur oft tödlichen Falle.

 
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Helgoland - Das Problem ist von Weitem sichtbar. Orange und blau leuchtet es aus den Basstölpelnestern an Helgolands Felsenküste. Die Nester im Naturschutzgebiet Lummenfelsen sind durchsetzt mit Plastik.

Es ist Brutzeit, und fast alle Basstölpel - eine Hochseevogelart, die deutschlandweit nur hier brütet - bauen Plastik in ihrer Nester ein. Nach Schätzungen landen weltweit jährlich rund 5 bis 13 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren. Hunderte Tierarten werden nach Angaben der Umweltorganisation WWF durch Plastikmüll geschädigt. Plastik im Meer - ein Problem, das nicht nur die Ozeane und Länder weit weg betrifft, sondern auch Deutschland.

Auf Helgoland, viele Kilometer vom Festland entfernt in der Nordsee gelegen, wird es besonders deutlich. Jeder zweite Tourist spreche einen auf die bunten Plastikteile in den Basstölpelnestern an, sagt der Ornithologe Elmar Ballstaedt. Er ist Schutzgebietsbetreuer der Naturschutzgesellschaft Verein Jordsand auf Helgoland. Und seit Anfang des Jahres arbeitet er an einem Forschungsprojekt zum Thema Plastik und Basstölpel.

Für die Vögel ist das künstliche Nistmaterial gefährlich. "Das Material baut sich nicht natürlicherweise ab", sagt Ballstaedt. Die Folge: Die Tier verheddern sich darin, können sich nicht selbstständig befreien. Es besteht die Gefahr, dass sie sich strangulieren oder verhungern. Untersuchungen zufolge hatte sich der Bruterfolg der Basstölpel deshalb in den vergangenen beiden Jahren um je gut fünf Prozent vermindert.

Auf Helgoland brüten im Naturschutzgebiet Lummenfelsen nach Angaben des Vereins Jordsand fünf für Deutschland einzigartige Brutvogelarten: Tordalk, Trottellumme, Eissturmvogel, Dreizehenmöwe und Basstölpel. 1991 wurde das erste Basstölpelpaar auf der Insel sesshaft. Mittlerweile gibt es mehr als 1100 Brutpaare. Basstölpel sind erst mit fünf Jahren brutreif und können 37 Jahre alt werden. Sie bauen im Felsen Nester, in die sie ein Ei legen.

Normalerweise benutzen sie Großalgen als natürliches Nistmaterial. Doch sie tragen zusätzlich Plastikfasern in die Nester ein. Vom Umweltbundesamt stammende Zahlen zeigen: 98 Prozent der Nester in der Brutvogelkolonie von Basstölpeln auf Helgoland enthalten Kunststoff.

Doch wo kommt das Material genau her, welche Auswirkungen hat der Plastikmüll auf die Basstölpelpopulation und warum bauen sie ihn in ihre Nester ein? Diese Fragen will Ballstaedt in den kommenden vier Jahren im Rahmen seiner Promotion untersuchen. Mehrere Forschungseinrichtungen unterstützen ihn dabei.

Bereits 2015 wurden in einem Pilotprojekt auf Helgoland sieben Basstölpelnester außerhalb der Brutzeit aus dem Felsen genommen. Darin waren zehn Kilo Plastik enthalten. "Wir haben 1115 Brutpaare, wenn man das hochrechnet, das ist eine erschreckend hohe Menge an Plastik im Felsen", sagt Ballstaedt. Die Basstölpel haben die Plätze später wieder besetzt und erneut Plastik in ihre Nester eingetragen.

Warum verbauen die Basstölpel Kunststoffteile in ihren Nestern? "Man weiß es nicht genau", sagt Ballstaedt. Es könne sein, dass es an der Struktur liege: Die normalerweise verbauten Algen sind ebenfalls fadenförmig und recht lang. Es könne aber auch sein, dass die Vögel die bunten Schnüre schöner finden. Was bedeuten würde, dass sie es sogar aktiv nehmen, sagt Ballstaedt.

Eine weitere Hypothese lässt sich laut Ballstaedt indes erst einmal nicht überprüfen. Nämlich die, ob die monogamen, orts- und nesttreuen Tiere über die Zeit gemerkt hätten, dass Plastik einfach stabil ist.

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