Nach jahrelangen Verzögerungen Hauptstadtflughafen BER ist eröffnet

BERLIN. Lange gab es Zweifel, ob es dazu jemals kommen würde: Der neue Flughafen geht tatsächlich ans Netz. Die ersten Maschinen docken an. Doch von großem Andrang kann vorerst keine Rede sein.  

 
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Der neue Hauptstadtflughafen BER ist nach jahrelangen Verzögerungen eröffnet worden. Ein Flugzeug von Easyjet brachte am Samstag die ersten Fluggäste zum neuen Terminal in Schönefeld bei Berlin.

Eine offizielle Feier gab es angesichts der mehrfachen Verschiebungen, verdreifachten Baukosten und jahrelangen Verzögerungen nicht.

Dennoch soll der Flughafen mit prominenten Gästen feierlich eingeweiht werden. Unter anderem die Chefs der Fluggesellschaften Lufthansa und Easyjet, Carsten Spohr und Johan Lundgren werden erwartet. Auch die Länderchefs von Berlin und Brandenburg, Michael Müller und Dietmar Woidke (beide SPD) wollen kommen, ebenso wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Der erste Start mit am BER eingecheckten Fluggästen erfolgt dann am frühen Sonntagmorgen. Ein Flugzeug von Easyjet soll von der Nordbahn nach London Gatwick aufbrechen.

«Die Eröffnung ist eine Belohnung für die Beharrlichkeit und das große Engagement der Kolleginnen und Kollegen der Berliner Flughäfen», teilte Peter Gerber, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftfahrtwirtschaft (BDL) bereits vor der Eröffnung mit. «Zugleich ist die Aufnahme des Flugbetriebs am BER in dieser pandemiebedingten tiefsten Krise der Luftfahrt ein positiver Lichtblick in schwierigen Zeiten.»

Auch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), der Interessenverband der Flughäfen, gratulierte zur Eröffnung: «Herzlich Willkommen in der Flughafenfamilie! Wir wünschen dem BER alles Gute für die Zukunft», teilte der Verband mit. «Für die gebeutelte Flughafenbranche ist es ein Zeichen der Zuversicht», hieß es von ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

Der BER-Großkunde Easyjet zeigte sich erleichtert über die Eröffnung. «Berlin ist eine unserer wichtigsten Basen und verdient einen Flughafen dieser Statur», sagte Vorstandschef Johan Lundgren. «Nach so vielen Jahren ist es großartig, dass der BER nun Realität wird.»

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt vor einer Überdramatisierung der finanziellen Probleme des BER. «Es ist nicht überraschend, dass in einer so tiefen wirtschaftlichen Krise der Flughafen BER Verluste macht, das geht fast allen anderen Flughäfen auch so», sagte er dem «Handelsblatt». Es gebe keinen Grund, an der Zukunftsfähigkeit des BER zu zweifeln.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, nahm die Eröffnung zum Anlass, erneut an die finanziellen Schwierigkeiten der Flughafengesellschaft zu erinnern. «Der BER wird die öffentlichen Kassen des Bundes und der Bundesländer Berlin und Brandenburg auch in den kommenden Jahren stark belasten», teilte er mit.

Hofreiter ist nicht der einzige Kritiker. Mehrere Klimaaktivisten kletterten am Vormittag auf das Dach eines BER-Eingangsgebäudes und seilten sich von dort ab. Einer von ihnen entrollte schließlich ein Banner mit einem Protestspruch gegen die Eröffnung des Flughafens am Samstag: «Flieger stoppen statt Klima schrotten». Ein anderer Aktivist ließ sich lediglich per Seil vom Dach ab. Polizeibeamte ließen sie zunächst gewähren, holten sie aber nach rund einer Stunde mit einem Kletterteam herunter.

Als Pinguine verkleidet protestierten Mitglieder der Gruppe «Am Boden bleiben», die sich für weniger Flugverkehr engagiert. Sie zogen vom Willy-Brandt-Platz bis zum Eingang des neuen Terminal 1 und skandierten «Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir sie? Jetzt!» Es gehe darum, ein Zeichen gegen die Luftfahrtindustrie zu setzen, erklärte ein Mitglied der Gruppe.

Direkt vor dem Eingang bildeten sie mit großen, würfelförmigen Luftballons die Buchstabenreihe «#NO BER». Zeitgleich blockierte eine zweite Gruppe ein Stockwerk tiefer im Terminal 1 die Treppen. Mehrere Dutzend als Pinguine verkleidete Mitglieder legten oder setzten sich dort auf den Boden. Andere gruppierten sich um sie herum und hielten Transparente hoch, auf denen unter anderem zu lesen war: «Coole Vögel bleiben am Boden».

Bereits seit vergangener Woche ist das Regierungsterminal auf dem BER-Gelände in Betrieb. Ein weiteres Fluggastterminal ist fertig, soll wegen des coronabedingten Einbruchs der Passagierzahlen aber erst nächstes Jahr in Betrieb gehen.

Mit dem Eröffnungstag am Samstag wird auch der Zugverkehr zum BER erweitert. Fortan halten dort auch Fern- und Regionalzüge. Die S-Bahn fährt den neuen Standort bereits seit Mittwoch im 10-Minuten-Takt an. Erneut eröffnet wird zudem das Steigenberger-Hotel auf dem Flughafengelände. Das Hotel war bereits im Jahr 2012 fertiggestellt worden und hatte drei Wochen lang geöffnet, bis es nach der damals geplatzten Eröffnung für acht Jahre schließen musste.

Mit vielen Gästen dürften die Betreiber allerdings auch in den kommenden Wochen nicht rechnen. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hatte zuletzt mit lediglich rund 5000 Fluggästen am Eröffnungstag des Flughafens am Hauptterminal T1 gerechnet. Mit der Tegel-Schließung eine Woche später würden am T1 dann täglich rund 16.000 Passagiere abgefertigt. Weitere 8000 Fluggäste würden dann über den Flughafen Schönefeld reisen, der als Terminal 5 des BER dient.

© dpa-infocom, dpa:201031-99-153620/7

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