Manche Bauern in unerfreulicher Lage
Aber die Preisexplosion war nicht von Dauer. Im Frühjahr 2022 gab es sogar Befürchtungen, dass bestimmte Düngersorten knapp werden könnten, doch das Gegenteil ist eingetreten. "Seit dem vierten Quartal 2022 sehen wir sinkende Düngerpreise", sagt die Baywa-Sprecherin in München. "Das liegt an mehreren Faktoren: geringere Energiekosten und dadurch niedrigere Produktionskosten bei der Düngerherstellung, verhaltene Nachfrage seitens der Landwirte und dadurch ein Überangebot an Dünger im Markt."
Die Bauern, die sich in Erwartung dauerhaft hoher Düngerpreise vorsorglich schon im vergangenen Jahr eingedeckt haben, sind jetzt in einer unerfreulichen Lage. "Die Erzeugererlöse für Getreide und Ölsaaten sind seit Jahresbeginn stetig gefallen", heißt es beim Bayerischen Bauernverband. Der Weizenpreis in Bayern liegt demnach derzeit bei 230 bis 250 Euro pro Tonne. "Viele Landwirte stehen jetzt vor der Situation, mit sehr teurem Dünger zu kräftig reduzierten Getreideerlösen zu produzieren."
Weniger Dünger auf den Feldern kommt nicht nur den Umweltbehörden gelegen. Auch Trinkwasserversorger, Lebensmittelhersteller und Bierbrauer dürften dankbar sein. Erhöhte Nitratgehalte im Grundwasser sind nicht ausschließlich auf die Landwirtschaft zurückzuführen, doch trägt die Düngung dazu bei.
Umweltschützer kritisieren Düngemenge
Im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2010/11 ist der Absatz von Stickstoffdünger in Deutschland bereits um fast 690.000 Tonnen gesunken, ohne dass die Erntemengen entsprechend geschrumpft wären. Umweltschützer sehen das als Beleg, dass über Jahrzehnte zu viel gedüngt wurde. Bislang unklar ist, ab wann weitere Reduktionen dann tatsächlich zu schlechteren Ernten führen. "Mit Ertrags- und Qualitätseinbußen wird zu rechnen sein", sagt die Sprecherin des Bayerischen Bauernverbands.
Die EU wolle den Düngemitteleinsatz um 20 Prozent senken, sagt Benjamin Subei, bei der Unternehmensberatung BCG auf Landwirtschaft und Nachhaltigkeit spezialisiert. Umweltvorgaben und Kostendruck sind nach Einschätzung des Beraters gleichermaßen Anreize für die Bauern, anstelle von Chemie in Technologie zu investieren: "Dadurch und aufgrund der höheren Preise sind Landwirte motiviert, Technologien wie Präzisionslandwirtschaft einzusetzen, um die Düngemittelmenge zu reduzieren und gleichzeitig den Ertrag stabil zu halten."
So lässt sich der Stickstoffgehalt im Boden sowohl mit "N-Sensoren" im Feld als auch mit Hilfe von Erdbeobachtungssatelliten messen beziehungsweise erkennen, so dass die Bauern Überdüngung vermeiden können. Derartige High-Tech-Verfahren bedeuten für die Landwirte aber zunächst einmal teure Investitionen.
Mehr Stickstoffdünger importiert
Gleichzeitig wird Europa abhängiger von Düngerimporten - eigentlich will die EU das Gegenteil erreichen. Doch die chemische Industrie leidet besonders unter den im internationalen Vergleich sehr hohen Gaspreisen. So haben mehrere europäische Hersteller die Produktion von Ammoniak gekürzt, einem Grundstoff für Dünger.
Dementsprechend sind die Importe von Stickstoffdünger nach Deutschland rasant gestiegen, wie der Industrieverband Agrar unter Verweis auf EU-Statistiken mitteilt. Demnach wurden von Juli 2022 bis Januar 2023 insgesamt 350.000 Tonnen dreier Arten von Stickstoffdünger importiert - fast neunmal so viel wie drei Jahre zuvor.