Ärztelage in Hollfeld Dr. Erich Grätz sucht seit Jahren einen Nachfolger

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Dr. Erich Grätz aus Hollfeld findet keinen Nachfolger - und denkt mit 72 jetzt doch so langsam ans Aufhören. Foto: Stefan Brand Quelle: Unbekannt

HOLLFELD. Er ist einfach nur enttäuscht. Diese Enttäuschung ist gewachsen. Über 20 Jahre hinweg. So lange beschäftigt sich der Allgemeinarzt Dr. Erich Grätz mit der Frage, wer einmal seine Praxis übernehmen soll. Ein bisher erfolgloses Bemühen. Jetzt ist Grätz 72 – und denkt so langsam ans Aufhören.

 
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Seine Frustration ist spürbar, ist hörbar. Er versteht die Medizinerwelt nicht mehr, „das bereitet mir größte Sorgen“. Denn wenn er zumacht, hat sich die Zahl der Allgemeinärzte in der Stadt von einst vier auf zwei halbiert. 1988 kam Grätz nach Hollfeld, „in eine alteingesessene Praxis, insgesamt ist sie jetzt 70 Jahre alt“. Da mal eben die Tür zuschließen – das will er nicht. Die Gesamtsituation im ländlichen Raum stimmt ihn traurig. Bauernsterben, das Wegbrechen der kleinen Geschäfte. Und jetzt auch ein Ärztesterben.

Ohne großen Aufwand in Gewinnzone

„Ich kann das nicht begreifen“, sagt Grätz. Schließlich müsse sich jemand, der hier einsteigt, keine Sorgen um seine wirtschaftliche Zukunft machen. Die Praxis laufe gut, rund 1200 Patienten zählt seine Klientel. Auch die Ausstattung sei gut. Daher sein Fazit: „Das könnte ein Nachfolger ohne größeren Aufwand gewinnbringend führen.“

Erich Grätz hat „alles Mögliche“ unternommen, um einen jungen Mediziner nach Hollfeld zu locken. Über persönliche Gespräche bei Kongressen und Fachtagungen, über Inserate in diversen Publikationen, über Vermittlungsagenturen aus diesem Metier. Gebracht hat all das – nichts. Der eine oder andere sah sich zwar mal um vor Ort. Doch bleiben wollte letztlich niemand. „Keiner hat den Mut, den Schritt von einer Klinik in die vermeintliche Unsicherheit zu wagen.“ Die aus seiner Sicht ja keine ist.

Die Angst vor der Selbstständigkeit

Grätz ist ratlos. Er kann sich die Hauptgründe nicht erklären, die den Ärztenachwuchs davon abhalten, aufs Land zu gehen. Denkbar sei, dass das etwas mit der steigenden Frauenquote bei den Medizinern zu tun habe, „sie scheuen halt oft eher den Sprung in die Selbstständigkeit“. Auch der allgemeine Ärztemangel dürfte eine Rolle spielen. Klar, und dann sei da noch die Sache mit den fehlenden Anreizen, auch finanzieller Art.

Skandinavische Länder attraktiver

„Da wäre die Politik gefragt“, so Grätz. Denn andernorts seien die Bedingungen attraktiver, die medizinischen Versorgungsstrukturen besser aufgestellt. Etwa in den skandinavischen Ländern. Daher ziehe es so manchen Arzt in den hohen Norden. „Früher war England sehr gefragt, aber ob das wirklich so sinnvoll ist – ich weiß nicht“, sagt Grätz.  Wie soll es jetzt weitergehen? Nun, er habe seine Arbeitszeit in den vergangenen Jahren schon Zug um Zug reduziert, sich mehr Freizeit gegönnt.

Das werde er ausbauen. Ihm gehe es natürlich auch um sein Personal, „da hängen fünf Arbeitsplätze dran“. Zusammen mit seinen Angestellten überlege er im Moment, wie man den Betrieb noch geraume Zeit aufrechterhalten könne. Aber irgendwann sei definitiv Schluss, „ich will mich hier nicht raustragen lassen“.

Hausbesuche sind ihm wichtig

Bis es so weit ist, wird Erich Grätz die Hoffnung nicht aufgeben, doch noch an einen Nachfolger übergeben zu können. Er wird weiter seine Hausbesuche absolvieren. Eine ganz wichtige Aufgabe, sagt er. Denn: „Die Menschen wollen doch einen Familienarzt, einen echten Hausarzt. Und nicht nur einen reinen Dienstleister, der als Vermittler für die Fachärzte tätig ist.“ Er hat Angst davor, dass irgendwann nur noch der Rettungshubschrauber für die ärztliche Versorgung da ist. 

Das sagt die Kassenärztliche Vereinigung

Auch wenn es bald nur noch zwei Allgemeinärzte in Hollfeld geben sollte, ist die Situation aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) nicht dramatisch. Um den Grad der der ambulanten ärztlichen Versorgung in einem Planungsbereich beurteilen zu können, „wird die Anzahl der Ärzte ins Verhältnis gesetzt mit der Anzahl der Einwohner“, sagt KVB-Pressesprecherin Birgit Grain aus München. Danach liege der Versorgungsgrad im „hausärztlichen Planungsbereich Hollfeld“ bei 101,4 Prozent – er gelte damit als „regelversorgt“. Insgesamt 17 Hausärzte seien in diesem Bereich tätig, „davon entfallen momentan vier Arztsitze auf den Ort Hollfeld“.

Unterschiedliche Sichtweisen

Die KVB beobachte die die Entwicklung des Versorgungsgrades „selbstverständlich“ genau. Auch mit Dr. Erich Grätz hätten die KVB-Berater aus Oberfranken immer den Kontakt gepflegt und ihn intensiv bei der Suche nach einem Nachfolger unterstützt. Grätz selbst sieht das anders, „da kam im Prinzip nichts“, sagt er.

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