Absage Netrebko und Bayreuth - Eine unendliche Geschichte?

Von Britta Schultejans,

BAYREUTH. Es hätte so schön sein können: Die vielleicht größte Opern-Diva der Welt bei dem vielleicht berühmtesten Opern-Festival überhaupt. Doch bevor es überhaupt begonnen hat, ist das Gastspiel von Anna Netrebko auf dem Grünen Hügel von Bayreuth schon wieder vorbei.

 
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Anna Netrebko bei einem Konzert in Prag. Foto: Michaela Øíhová/CTK/dpa Quelle: Unbekannt

Irgendwie scheint das Publikum so recht ohnehin nicht daran geglaubt zu haben. „Habe es genau so kommen sehen“, schreibt eine Frau auf der Facebook-Seite der Bayreuther Festspiele. „Hat jemand wirklich geglaubt, dass Frau N. singt?“ fragt ein anderer. Frau N. singt nicht. Anna Netrebko hat ihr Debüt auf dem Grünen Hügel kurzfristig abgesagt. Sie sei zu erschöpft und folge mit der Absage „dringlichem ärztlichen Rat“.

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Der geplante Auftritt der großen Diva in Bayreuth entwickelt sich zu einer Art unendlicher Geschichte. „Seit ein paar Jahren“ habe es Gespräche mit Netrebko über ihr Debüt gegeben, sagt Festspiel-Sprecher Peter Emmerich. Wann das Hügel-Debüt der großen russischen Opern-Diva nachgeholt wird - und ob überhaupt -, das steht noch in den Sternen. Nur soviel scheint sicher: 2020 klappt es wohl auf keinen Fall. „Die Planungen für nächstes Jahr sind bereits vollständig, das können wir ausschließen“, sagte Emmerich am Dienstag. Netrebkos Management will sich nicht zur Absage und möglichen neuen Plänen äußern.

Schwere deutsche Texte

Die Elsa im „Lohengrin“ in der Inszenierung von Yuval Sharon hätte die berühmte Sopranistin singen sollen - vor einem blauen Bühnenbild des Malers Neo Rauch. Es ist ein Part, für den die Festspiele sie schon seit längerem auf den Hügel holen wollten. Ursprünglich war spekuliert worden, dass Netrebko schon im vergangenen Jahr 2018, als diese „Lohengrin“-Inszenierung neu war, die Elsa singen sollte. Dazu kam es nicht.

Die Absage gab es auch per Zeitungsinterview. „Ich kann keinen deutschen Text memorieren“, erklärte Netrebko 2016 in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Mein Gehirn ist vielleicht doch zu russisch organisiert, es ist dazu einfach nicht in der Lage. Französisch, Italienisch, das kann ich alles singen, aber deutsche Texte sind zu schwer für mich.“

Dabei hatte sie kurz vorher - wenn auch mit Hilfe eines Teleprompters - als Elsa in Dresden debütiert. „Christian Thielemann hatte es mir eingebläut, dass es auf die Worte ankommt. Er sagte, er wolle keine musikalischen Linien von mir hören, er wolle Tttexssssttt hören! Vokale! Konsonanten! Elsa war wirklich hart.“

Schnelles Personalkarussell

Mit Thielemann, dem Musikdirektor der Festspiele, sollte sie auch in Bayreuth zusammenarbeiten - und der hatte sich schon gefreut, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur vor dem Start der Festspiele sagte: „Sie ist eine hoch-professionelle Frau und eine sehr angenehme Kollegin. Ich sehe der Sache mit großer Freude entgegen.“

Jetzt wird statt Netrebko Annette Dasch bei den beiden Aufführungen am 14. und 18. August als Elsa auf der Bühne stehen. Camilla Nylund, die in diesem Jahr (auch schon als kurzfristige Einspringerin für Krassimira Stoyanova) für die Premiere und die übrigen Aufführungen verpflichtet wurde, kann aus terminlichen Gründen nicht. Sie singt auf dem Grünen Hügel auch noch die Eva in den „Meistersingern von Nürnberg“.

Das Personalkarussell, es dreht sich manchmal schnell in Bayreuth - und das, obwohl es nur für wenige Rollen auf dem Grünen Hügel Zweitbesetzungen gibt. „Das kann man sich ja gar nicht leisten“, sagt Emmerich. Wenn dann jemand ausfällt, werde das Netzwerk aus Künstler-Agenturen und mit dem Haus verbundenen Sängern aktiviert. „Da laufen dann die Drähte heiß“, sagt Emmerich. „Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es etwas länger.“

Die Bayreuther Festspiele sind nicht die einzigen, die Pech haben mit Anna Netrebko in diesem Sommer. Kurz vor der Bayreuther Absage hatte sie wegen einer Erkältung einen Auftritt bei den Salzburger Festspielen abgesagt und damit Teile des Publikums verärgert, die ihre Tickets daraufhin verkauften oder verschenkten.

In Bayreuth blieben derartige Reaktionen zunächst aus. Ticketrückgaben seien „nicht nennenswert“, sagt Emmerich. Allerdings seien die Karten auch verkauft worden, bevor die Besetzung bekannt gegeben wurde, und der „Lohengrin“ mit Netrebko sei auch nicht teurer gewesen als ohne Netrebko. „Die Leute haben den „Lohengrin“ bestellt“, betont Emmerich.

Pro Partie, nicht pro Namen

Und den bekommen sie nun mit Einspringerin Dasch, die auch schon im gefeierten „Ratten-Lohengrin“ von Regisseur Hans Neuenfels die Elsa gesungen hat. Darüber scheinen einige gar nicht so unglücklich zu sein: „A. Dasch ist doch kein Ersatz“, schreibt jemand auf Facebook. „A. Dasch singt die Elsa ausgezeichnet.“ Eine andere meint: „Das ist bestimmt kein Nachteil.“

Festspiel-Chefin Katharina Wagner hatte bei der Pressekonferenz zum Start des Opern-Spektakels gesagt, dass sie sich zwar auf Netrebkos Auftritte freue - aber keine Unterschiede mache zwischen den Künstlern. „Wir bezahlen pro Partie und nicht pro Namen“, sagte sie. „Es würde den Sinn von Bayreuth sprengen, wenn wir hier Gala-Vorstellungen einführen.“