75 Jahre Landfrauen Powerfrauen, wohin man schaut

Uschi Geiger

Ihr 75-jähriges Bestehen konnten die Landfrauen aus der Region am Samstag groß feiern. Die Wertschätzung ihrer Arbeit war dabei ein zentrales Thema.

 
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„75 Jahre Landfrauen“ – dieses Jubiläum haben man am Samstag viele Gäste im Evangelischen Bildungszentrum (EBZ) in Bad Alexandersbad in großem Rahmen gefeiert: mit einem Brunch, einer Andacht, zahlreichen Grußworten, Ehrungen, viel Musik und einem gemütlichen Ausklang mit Kaffee und Kuchen. Kreisbäuerin und Vorstandsvorsitzende Karin Reichel stellte zu Beginn des offiziellen Teils am Nachmittag erfreut fest, dass der Saal voll besetzt war: Nicht nur viele Landfrauen des Kreises waren gekommen, sondern auch etliche überregionale Vertreterinnen und Vertreter des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und der Kommunalpolitik.

Der neugewählte Kreisvorstand

Sechs Landfrauen bilden den neugewählten Kreisvorstand: Karin Reichel aus Reicholdsgrün (Kreisbäuerin), Nicole Orschulok aus Seußen (stellvertretende Kreisbäuerin), Andrea Marth aus Leupoldsdorf, Anna Kolbe aus Regnitzlosau, Andrea Förster aus Sichersreuth und Martina Leineweber aus Nagel. Sie alle stellten sich einzeln dem Plenum vor, erzählten von ihren Höfen, ihrer Berufsausbildung, ihrer Familie und ihrem vielfältigen gesellschaftlichen Engagement.

Eine Andacht gestaltete Prädikantin Andrea Marth, die in ihrer Predigt einfühlsam auf die Situation mancher Frauen einging. Im Gegensatz zu den perfekten Landfrauen in Fernsehsendungen oder Hochglanzmagazinen gehe es für eine Bäuerin im Alltag oft anders zu: Niemand nehme wahr, was sie leiste, keiner zeige scheinbar Interesse daran, wie es ihr geht.

Gegen diese negativen Gedanken helfe die Jahreslosung, die aus dem Buch Genesis ausgewählt wurde: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ erkennt darin die rechtlose Magd Hagar in einer verzweifelten Situation. Diesen Satz legte Andrea Marth allen ans Herz und versicherte: „Du bist wertgeschätzt, es gibt jemanden, der auf dich schaut und dem du wichtig bist.“

Musikalisch umrahmt wurde die Andacht wie auch die gesamte Veranstaltung vom Landfrauenchor unter der Leitung von Elke Hofmann, den „Sechsämtermoilan“, die über ein erstaunliches Repertoire verfügen: Passend zu jedem Programmpunkt gaben sie mit viel Freude ihre Lieder zum Besten.

Grußworte

Den Reigen der Grußworte eröffnete Pfarrer Andreas Beneker als Hausherr des Bildungszentrums: „Wie schön, dass die Menschen sich nach der langen Zeit der Pandemie wieder treffen können. Das ist ein Geschenk, das man nicht hoch genug schätzen kann.“

Der stellvertretende Landrat Roland Schöffel ging auf die Bedeutung der Landwirtschaft in Deutschland ein und die stete Wandlung, der auch die Lebenswelt der Landfrauen unterworfen sei. Auch wenn nicht erst seit gestern die kleinen Familienbetriebe oft ums Überleben kämpfen müssten, stimme ihn die Tatsache hoffnungsvoll, dass die Verbraucher sich wieder gezielt auf regionale Produkte besinnen würden.

Anschließend trat Kreisbäuerin Karin Reichel ans Mikrofon. „75 Jahre Landfrauen – wir stehen in der Mitte der Gesellschaft, nicht an ihrem Rand. Und wir haben es über Jahrzehnte hinweg geschafft, am Puls der Zeit zu sein. Auch durch uns leben die Dörfer.“ Das Selbstbewusstsein und der Optimismus, die Karin Reichel an diesem Nachmittag ausstrahlte, vermittelten eine Ahnung davon, welch starke Rolle gerade die Landfrauen im Bauernverband spielen. „Wir lassen uns nicht mehr auf Tortenbacken und Brauchtumspflege reduzieren, wir mischen uns ein und verlangen auch von der Politik umsetzbare Bedingungen.“ Als Beispiel nannte Reichel eine ganze Reihe von Forderungen, die die Landfrauen vor der anstehenden Landtagswahl klar formuliert haben, zum Beispiel das Schulfach „Alltagskompetenzen“, die Sicherstellung der Mütterrente, die Anbindung des ländlichen Raums mit schnellerem Internet oder die Stärkung der Pflege und Hauswirtschaft durch ein Zulagensystem. Eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit mahnte sie in den eigenen Reihen an: „Wir müssen unsere Arbeit noch sichtbarer machen, zeigen, wie Landwirtschaft funktioniert.“ Seit 1948, als die allererste Landesbäuerin gewählt wurde, habe sich vieles gewandelt: Der Plausch über den Gartenzaun sei längst durch den Chat in der Whatsapp-Gruppe ergänzt worden, aber noch immer lasse sich durch Zusammenhalt und den Einsatz der vielfältigen Talente in der Gemeinschaft am besten erreichen, wofür die Landfrauen seit Jahrzehnten stehen: für die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft.

Der „schönste Beruf der Welt“

„Landfrau ist der schönste Beruf der Welt“, ist sich die neugewählte Bezirksbäuerin, Beate Opel aus Neufang im Landkreis Kulmbach, sicher. Auch sie wünschte sich in ihrer Rede einen offenen Dialog mit den Verbrauchern und verlangte von den Politikern Aufmerksamkeit für den Forderungskatalog der Landfrauen. Seit zehn Jahren sei sie bereits Kulmbacher Kreisbäuerin und wolle mit ganzer Kraft in ihrer neuen Funktion weiterarbeiten.

Auch eine große Ehrung gab es am Samstag: Christine Medick, seit 1996 in verschiedenen Funktionen bei den Landfrauen aktiv und nun nicht mehr zur Wahl angetreten, wurde zur Ehrenkreisbäuerin ernannt. Ein Einblick in ihr langjähriges Wirken, den Kreisobmann Harald Fischer in einer Foto-Präsentation zusammengestellt hatte, und die Verleihung der Ehrenurkunde durch Beate Opel rührten die scheidende stellvertretende Kreisbäuerin zu Tränen. Mit vielen Emotionen blickte Christine Medick selbst noch einmal auf ihre lange Zeit in Amt und Würden zurück, erinnerte sich an bereichernde und schwierige Momente und dankte vor allem auch ihrer Familie für die große Unterstützung. „Dieses Amt weitet den Blick und lässt einen immer über den Tellerrand schauen“, versicherte sie abschließend.

Bevor die neue stellvertretende Kreisbäuerin Nicole Orschulok das Schlusswort sprach, wurde es humoristisch: Von der Faschingsgesellschaft Rot-Weiß Schirnding zeigten zunächst Rainer Hartmann und Christoph Möller, wie es einem ergeht, wenn man seine uralte Schreibmaschine beim Computerservice reparieren lassen will, dann eroberte das Männerballett als wilde Wikingertruppe die Bühne. „Open End“ war dann zuletzt für den Rest des gemeinsamen Tages im EBZ angesagt.

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