Kühlmann: Aus einem Forschungsprojekt ist das Personet mit 50 Mitgliedern entstanden, ein Netzwerk der Personalverantwortlichen in der Region. In verschiedenen Arbeitskreisen befassen sie sich mit aktuellen Problemen der Personalarbeit, unter anderem dem Fachkräftemangel, der betrieblichen Ausbildung oder den Herausforderungen der Internationalisierung. Eine weitere Verbindung ist das Kunststoff-Netzwerk Franken. Bemerkenswert ist hier: Unternehmen der Kunststoffindustrie, die durchaus in einer Wettbewerbssituation stehen, setzen sich gemeinsam mit Fragen der Forschung und Entwicklung auseinander, obwohl dies eher ein hochsensibler Bereich ist, wo man sich eigentlich ungern in die Karten schauen lässt. Aber das Netzwerk hat jetzt über 100 Mitglieder.
Wie findet der wissenschaftliche Transfer in die Unternehmen statt?
Kühlmann: Wir bieten Firmen an, ganz bestimmte Problemstellungen zu analysieren. Aus dieser Forschung ist beispielsweise ein Projekt zur psychischen Gefährdungsanalyse entstanden, zu der die Arbeitgeber seit einigen Jahren arbeitsrechtlich verpflichtet sind. Bekannt ist ja, dass psychischer Stress laut den aktuellen Krankheitsstatistiken zu einer deutlichen Zunahme von Krankheitstagen führt. Bei unserer Analyse in vier Unternehmen haben wir festgestellt, dass die Mitarbeiter vor allem unter digitalem Stress leiden, verursacht durch ständige Erreichbarkeit und den Erwartungsdruck, schneller zu reagieren und allgemein das Arbeitstempo zu erhöhen. Wir versuchen jetzt gemeinsam mit Informatikern und Psychologen zu identifizieren, wie Unternehmen digitalem Stress vorbeugen können, und entwickeln gemeinsam mit ihnen Maßnahmen, ihn zu bewältigen.
Woher speist sich das Wissen beim BF/M?
Kühlmann: Seit nun 40 Jahren im Rückgriff auf die Universität Bayreuth. Die Kompetenz bringen Professoren, Lehrstuhlinhaber und Forscher der Betriebswirtschaftslehre ein. Jeder Professor ist für ein bestimmtes Fachgebiet tätig. Von Anfang an war das BF/M eine gemeinsame Initiative der regionalen Wirtschaft und der Hochschule. Der Ansatz war, dass wir unser Wissen und die Forschung mit den mittelständischen Unternehmen teilen wollen.
Und das Forschungsfeld Oberfranken bot genug Fallbeispiele?
Kühlmann: Gerade in den achtziger und neunziger Jahren hat diese Region große Sorgen bereitet. Viele Unternehmen haben einen schwierigen Strukturwandel erlebt oder mit Abwanderungsgedanken gespielt, von denen sie nur durch üppige Fördermaßnahmen abgebracht werden konnten. In Oberfranken bot sich vielen Kollegen durchaus ein sehr interessantes Forschungsfeld. Denn traditionell hat sich die Betriebswirtschaftslehre an den großen Unternehmen orientiert und es wurde analysiert, wie Probleme dort gelöst werden können. Aber ein mittelständisches Unternehmen ist eben nicht einfach nur ein kleines Großunternehmen, sondern es steht vor ganz anderen Herausforderungen und hat andere Strukturen. Das haben wir in der Forschung zum ersten Mal richtig thematisiert.
Bei welchen Themen suchen die Firmen Ihre Unterstützung?
Kühlmann: Das hat sich im Laufe der Jahre verändert: In den ersten Jahren lag der Schwerpunkt eindeutig bei den rein betriebswirtschaftlichen Fragen, also beispielsweise Finanzplanung, Kosten- und Leistungsrechnung, Abschreibungen und Investitionsstrategie. Seit einiger Zeit sind wir an einem Punkt, an dem neben den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen die Mitarbeiter weitaus stärker in den Fokus gerückt sind. Da geht es dann um Themen wie Weiterbildung oder stärkere Mitarbeiterorientierung und Erfolgsbeteiligung. Das reflektiert einen ganz klaren Wandel in der Sicht auf die Mitarbeiter: vom Kostenfaktor zum wichtigen Firmenkapital.
Das klingt gut, könnte sich aber in der sich nun abzeichnenden konjunkturellen Abwärtsbewegung auch wieder ins Gegenteil verkehren.
Kühlmann: Davon würde ich nicht ausgehen. Natürlich haben einige Automobilzulieferer in Oberfranken Kurzarbeit angemeldet und ihre Leiharbeitskräfte reduziert. Aber gerade jetzt deutet sich an, was bei der großen Finanzkrise vor zehn Jahren eine sehr kluge Entscheidung war: die Arbeitsplätze erhalten und mit Kurzarbeit den geringen Arbeitsbedarf auffangen. Und das scheint auch jetzt wieder das Mittel der Wahl zu sein.