32-Jähriger torpediert seine eigene Resozialisierung und muss zwei Jahre hinter Gitter Haft für Stich mit dem Hirschfänger

Von Manfred Scherer

Er hatte es fast geschafft: Guter Job, nette Freundin, das Ende seiner Bewährungszeit war nahe. Doch das Licht am Ende des Tunnels knipste er selbst aus. Durch einen unerklärlichen, spontanen Stich mit einem Hirschfänger.

 
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Das Bayreuther Schöffengericht verhängt gegen einen 32-jährigen Messerstecher wegen gefährlicher Körperverletzung zwei Jahre Haft. Symbolfoto: dpa Foto: red

Die Klinge des Hirschfängers drang am Abend des 2. Mai in die linke Brustseite eines 28-jährigen Mannes ein, der – wie der 32-jährige Angreifer – Bewohner einer Wohngemeinschaft für Ex-Knackis des Resozialisierungsvereins „Kontakt e. V.“ war. Zum Glück verursachte die Klinge nur eine klaffende Wunde und richtete nicht mehr an. Die Folge: Eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und der Prozess beim Schöffengericht.

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Vor Gericht legt der Angeklagte ein Geständnis ab

Dort gestand der 32-Jährige den Messerstich und erklärte: „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich wollte ihn nicht verletzen. Wir waren beide total schockiert.“

Der Angeklagte berichtete weiter, dass er gerade in der Küche der Wohngemeinschaft beim Zwiebelschneiden gewesen war, als sein Mitbewohner in die Küche kam. Man habe sich bereits vorher gestritten, berichtete der Angeklagte: darüber, dass sein jüngerer Mitbewohner an jenem Tag seinen Job gekündigt habe; darüber, dass er den Internetrouter ausgeschaltet hatte. Bei dem Streit habe der andere ihn gepackt und er habe ihn zurückgestoßen – mit dem Zwiebelmesser in der Hand.

Folgenreiche Handbewegung beim Zwiebelschneiden

Der Verletzte – er hat wie der Angeklagte eine Drogenvergangenheit – schildert die Tat nur ein klein wenig anders: Ja, es habe einen Streit gegeben, weil „ich meinen Job geschmissen habe. Er hatte Angst, dass ich wieder ins Bezirkskrankenhaus muss“. Kurz darauf bekam der 28-Jährige in seinem Zimmer erneut eine Rüge: Er solle sich „zusammenreißen“, habe der Angeklagte ihn beschimpft: „Ich antwortete: Verpiss dich. Wir standen Nase an Nase, da habe ich ihn aufs Bett geworfen.“

Ein Streit flammt mehrfach auf

In der Küche flammte der Streit dann erneut auf: der Zwiebel schneidende Angeklagte habe sich mit den Worten „Was willst du?“, umgedreht und da sei es schon passiert gewesen.

In dem Prozess unter Vorsitz von Richter Torsten Meyer wurde auch klar: Beide Kontrahenten wollten nicht, dass die Polizei von dem Stich erfährt. Sie dachten sich folgendes Märchen aus: der 28-Jährige habe sich im Bett mit einem Messer verletzt, mit dem er zuvor eben auf jenem Bett Pizza gegessen habe. Den Notruf alarmierte der Täter, im Protokoll der Einsatzzentrale ist vermerkt: „Kommen sie, hier ist einer mit einer schweren Schnittverletzung, der hat sich ins Bett geworfen, der hat sich ins Bett geschmissen.“

Der Staatsanwalt spricht von „Glück“

Das Gutachten eines Rechtsmediziners ergab: Eine Stichverletzung ist eher tiefer als breit, eine Schnittverletzung dagegen eher breiter als tief. Aufgrund der Fotos der Verletzung kam der Experte zu dem Schluss: In dem Fall handele es sich eher um eine Stichverletzung. Zum Glück für den Verletzten drang das Messer nicht in den Brustkorb ein. Staatsanwalt Forian Losert meinte, sowohl Täter als auch Opfer hätten „unheimliches Glück“ gehabt. Nämlich, dass der Fall nicht als versuchtes oder gar vollendetes Tötungsdelikt vor das Schwurgericht gekommen sei. Die Anklagebehörde hatte von Beginn an unterstellt, dass der Angeklagte nicht mit Tötungsabsicht gehandelt habe – im Gegenteil angesichts der Wunde sogar „erschrocken“ über seine Tat war.

Kein Verfolgungsinteresse beim Opfer

Das bestätigte auch der Verletzte: „Er hüfte herum und jammerte, was er da gemacht hat. Und er hat sich gleich tausendmal entschuldigt.“ Die Frage von Richter Meyer, wie es um sein Strafverfolgungsinteresse ausgesehen habe, beantwortete er: „Keines. Wir wollten das unter uns regeln.“

Dennoch klärten die Ermittler die wahren Umstände der Tat. Eine lange Liste von Vorstrafen und eine offene Bewährung verhinderte eine bewährungsfähige Strafe, wie sie Verteidiger Joachim Voigt beantragt hatte. Das Schöffengericht verhängte zwei Jahre und blieb sechs Monate unter dem Strafantrag des Staatsanwalts.