Später freundete sich Martin mit dem Kollegen Olaf Leitner vom Rias an; „was als persönliche und höchst gefährliche Berührung mit dem Klassenfeind galt“. Leitner schrieb nicht nur ein Buch über die Rockszene der DDR, in dem die Musikredakteure in Ost-Berlin oft nachschlugen. Er gab Musikern aus dem Osten auch oft Schallplatten für Martin mit.
Frank Schöbel, einer dieser Boten, schreibt in seiner Autobiografie: „Eigentlich war ich so was wie ein kleiner musikalischer Ost-West-Briefkasten.“ Wolfgang Martin habe ihm Schallplatten etwa von den Puhdys, Karat und Silly für den West-Kollegen mitgegeben – und er habe Platten von Leitner in den Osten mitgenommen, „meist englisch-amerikanische Produkte“.
Manchmal bekam Martin solche Alben auch von den Musikern direkt: Er interviewte zahlreiche West-Stars. Die vier Musiker von Abba etwa hätten 1974 bei einem Abendessen Berliner Eisbein mit Sauerkraut „mit sichtlicher Freude und Genuss“ verspeist, schreibt er. Julio Iglesias sei nach einem Auftritt so sehr von Damen des Friedrichstadt-Palast-Balletts umringt gewesen, dass der Radioreporter vom Manager immer wieder vertröstet wurde – und als das Interview schließlich begann, „hatte Iglesias gleichzeitig zwei Tänzerinnen rechts und links auf seinem Schoss sitzen“.