Hitze, Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände, tropische Zyklone: Die Liste der verheerenden Wetterereignisse 2023 war lang. Es könnte 2024 noch schlimmer kommen, warnt die Weltwetterorganisation WMO in ihrem aktuellen Klimabericht.
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Der Klimawandel ist 2023 mit alarmierenden Negativ-Rekorden deutlicher denn je sichtbar geworden. Und es könnte in diesem Jahr noch schlimmer kommen, warnt der Leiter der Abteilung für Klimaüberwachung bei der Weltwetterorganisation (World Meteorological Organization/WMO), Omar Baddour, am Dienstag (19. März).
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Es sei gut möglich, dass 2024 den Temperaturrekord von 2023 übertreffe. Der Januar 2024 sei bereits der heißeste Januar seit Beginn der Industrialisierung gewesen, sagt Baddour anlässlich der Veröffentlichung des WMO-Berichts „State of the Global Climate 2023“ zum Zustand des Weltklimas 2023 in Genf.
„Planet am Abgrund“
„Die Erde sendet einen Hilferuf aus. Der Bericht zeigt einen Planeten am Abgrund“, warnt UN-Generalsekretär António Guterres.
„Rotes Warnsignal an die Welt“
WMO-Chefin Celeste Saulo spricht von „Alarmstufe Rot“. „Beim Klimawandel geht es um viel mehr als um Temperaturen. Was wir im Jahr 2023 erlebt haben, insbesondere die beispiellose Erwärmung der Ozeane, den Rückzug der Gletscher und den Verlust des antarktischen Meereises, gibt Anlass zu besonderer Sorge.“
Noch nie zuvor sei die Menschheit der Untergrenze des Pariser Abkommens so nahe, so Saulo. Der Jahresbericht sei ein „rotes Warnsignal an die Welt“. Klimarekorde seien im vergangenen Jahr nicht nur gebrochen, „sondern in einigen Fällen geradezu zerschmettert“ worden. Gleichzeitig bestehe eine „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass 2024 noch heißer als das Vorjahr und damit das heißeste seit Aufzeichnungsbeginn werde.
2023 wärmstes Jahr seit Beginn der Industrialisierung
Die WMO bestätigtmit ihrem Klimbericht ihre vorläufigen Schätzungen: Die global gemittelte Durchschnittstemperatur lag 2023 rund 1,45 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900). Davor war 2016 das wärmste Jahr, mit rund plus 1,3 Grad.
Der europäische Klimawandeldienst Copernicus hatte die Erwärmung 2023 mit plus 1,48 Grad angegeben. Die WMO betrachtet jeweils Datensätze von Copernicus und mehrerer anderer renommierter Institute zusammen. Deshalb ist ihr Bericht über Klimaveränderungen besonders breit abgestützt und gilt als globale Richtschnur.
Im Laufe des Jahres hätten 90 Prozent der Ozeanregionen eine Hitzewelle erlebt, heißt es seitens der WMO. Das sei besonders alarmierend, weil Meere die Temperatur länger speicherten als die Atmosphäre, betont Saulo.
Nach Angaben von Baddour hat die Wissenschaft noch keine Erklärung für die Entwicklung gefunden. Das Wetterphänomen El Niño reiche dafür nicht. Häufigere und intensivere Erwärmungsphasen der Meere hätten „tiefgreifende negative Folgen“ für Meeres-Ökosysteme und Korallenriffe.
Gletscherschmelze beschleunigt sich
Zudem hätten die Gletscher der Welt mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1950, vor allem in Nordamerika und Europa, so Baddour weiter. Auch die Ausdehnung des antarktischen Meereises habe einen Negativ-Rekord erreicht. Die maximale Ausdehnung sei eine Million Quadratkilometer kleiner gewesen als beim vorherigen Negativ-Rekord: Das entspricht einer Fläche etwa so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen.
Der global durchschnittliche Meeresspiegel ist Baddour zufolg 2023 so hoch gewesen wie nie seit Beginn der Satellitenmessungen 1993. In den vergangenen zehn Jahren sei der Meeresspiegel doppelt so schnell gestiegen wie in den ersten zehn Jahren seit Beginn der Satellitenmessungen. Ursachen seien sowohl die Schmelze von Gletschern und Eis als auch die thermische Ausdehnung des wärmeren Wassers.
Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig kritisiert anlässlich des WMO-Berichts, dass in der öffentlichen Debatte hierzulande verbreitet der Eindruck dominiere, die Klimawandelfolgen seien durch Technologie schon irgendwie zu bewältigen. Es fehle an Willen, die Klimakrise ernst zu nehmen.
„Tatsache ist, dass die durch Nichthandeln entstehenden Klimawandel-Folgekosten die nötigen Kosten, um den Klimawandel rechtzeitig zu stoppen, um fast den doppelten Betrag jährlich übersteigen werden“, konstatiert Haustein. Je mehr jetzt investiert werde, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden, desto mehr Geld werde insgesamt mittelfristig gespart. „Heutige Untätigkeit wird unsere Kinder und Enkel teuer zu stehen kommen.“
Die Klimakrise sei derzeit die größte Herausforderung für die Menschheit und hänge eng zusammen mit der wachsenden Ungleichheit, betont Saulo. Durch Extremwetter-Ereignisse wie Hitze, Dürre oder Überschwemmung ausgelöste Nahrungsmittelunsicherheit betraf Ende 2023 weltweit rund 333 Millionen Menschen – mehr als doppelt so viele wie vor Beginn der Ende 2019 begonnenen Corona-Krise.
Einen „Hoffnungsschimmer“ gibt es der WMO zufolge dennoch: Die Energiegewinnungskapazitäten aus regenerativen Quellen wie Solarzellen und Wasserkraftwerke stiegen im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent an. Die Welt habe noch immer die Chance, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und das „schlimmste Klima-Chaos zu verhindern“, sagt UN-Generalsekretär Guterres. „Wir wissen, wie es geht.“