1700 Jahre jüdisches Leben Herzzerreißend schön

Bariton Ludwig Mi Foto: Ute Eschenbacher

Ein bewegender Abend: Der Auftritt des Jewish Chamber Orchestra Munich im Zentrum am Freitagabend war ein Höhepunkt im städtischen Kulturprogramms zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bayreuth - Das Jewish Chamber Orchestra Munich (JCOM) will jüdische Gegenwartskultur lebendig erhalten. Für den Auftritt in Bayreuth wählte dessen Gründer, der Dirigent David Grossmann, zwei Werke jüdischer Komponisten aus. Das erste war „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“, eine Fassung für Sprecher und Orchester nach einer kurzen Erzählung von Rainer Maria Rilke aus dem Jahr 1899.

Voller Süße und Schwere

Sprecher Stefan Merki und die hoch konzentrierten Musiker gestalteten eine atmosphärisch dichte Erzählung voller Süße und Schwere. Mal stürmisch, mal lieblich erzählten sie die Soldatenballade um Liebe und Tod, Jugend und Lebenskraft. „Er fragt eine Frau, die sich zu ihm neigt: Bist du die Nacht?“ Dunkle Sätze voller schmerzlicher Gefühle. Eine Poesie der Vergänglichkeit. „Die Zeit ist eingestürzt, sie blüht aus ihren Trümmern.“ Was wird aus dem jungen Soldaten werden, der in den Krieg zieht? Ja, er wird sinnlos sterben, wie so viele vor ihm.

Antisemitische Kampagne

Mancher empfinde diese Prosa zu martialisch, zu kriegsnaiv, sagt David Grossmann ans Publikum gerichtet. Der tragische Tod könnte ein letzter Gruß des Sohnes an den Vater gewesen sein. Von Viktor Ullmann, der erst nach Theresienstadt kam und 1944 in Auschwitz starb. Ganz anders der große Gustav Mahler, dessen 14 Lieder aus der Jugendzeit den zweiten Teil des Programmes bildeten. Aus einer jüdischen Familie stammend, selbst aber nicht besonders religiös, wurde er 1885 Opfer einer antisemitischen Kampagne. Später konvertierte er zum Katholizismus, auch weil er ahnte, dass ihm sonst jedes Hoftheater verwehrt bliebe. Danach wurde er 1897 zum Kapellmeister der Wiener Hofoper bestellt. Normalerweise „als Jude unmöglich“, wie Grossmann, Leiter des Orchesters, sagte.

Wiedersehen am Grab

„Die 14 Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“ interpretierte der Bariton Ludwig Mittelhammer. Der Solist und das verkleinerte Orchester ließen ebenso Geschichten aus den Höhen und Tiefen des Soldatenlebens erklingen. Das Buhlen um das Feinsliebchen, der Aufbruch und das Scheiden und das niemals Wiedersehen der Geliebten. „Ade, ade, mein herzallerliebster Schatz“ wird zum Grabgesang des Soldaten für die inzwischen Verstorbene, die seine Rückkehr nicht mehr erlebt und auf dem Kirchhof ruht. Herzzerreißend schön.

Autor

Bilder