1. Oberfränkische Tagung Wer mag regionale Lebensmittel?

Jürgen Umlauft,
 Foto: Grafikdesk Frankenpost / Sabrina Schmalfuß

Alle wollen es essen, keiner will es machen: Hochwertige regionale Lebensmittel sind gefragt, doch die Erzeuger werden weniger. Handwerk, Landwirtschaft und Politik steuern mit dem 1. oberfränkischen Lebensmittelgipfel gegen.

 
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Hof/Kulmbach - Wenn Christian Herpich im Feierabend-Programm der Öffentlich-Rechtlichen den „Bergdoktor“ oder andere Wohlfühl-Produktionen schaut, dann regt er sich manchmal ganz schön auf. „Da treten die erwachsenen Kinder der Hauptpersonen immer in der Rolle des Studenten auf, der am Wochenende mal zu Besuch zu den Eltern kommt. Warum ist der Nachwuchs nie im Handwerk beschäftigt? Warum ist er kein Metzger, Bäcker, Zimmerer?“ Christian Herpich, seit Kurzem Vizepräsident der Handwerkskammer für Oberfranken, gehört zu jenen, die mit positiven Beispielen werben möchten für die Vorzüge von Handwerksberufen. Und zwar sowohl für die Beteiligten selbst als auch für die Nutzer, Kunden und die Gesellschaft als solches. Er ist bald einer der Hauptakteure bei einer Veranstaltung, wie es sie noch nie gab in der Region.

Am Mittwoch, 20. Oktober, um 17 Uhr laden Handwerk und Landwirtschaft gemeinsam mit der Politik zum 1. Oberfränkischen Lebensmittelgipfel ein. „Was können wir alle tun?“, lautet eine der Kernfragen, die sich ein großes Bündnis an Beteiligten stellt – und die via Youtube-Übertragung live mitverfolgt werden kann nicht nur bei allen Handwerksbetrieben im Bezirk, die die Einladung schon bekommen haben, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit. Im Beruflichen Schulzentrum Kulmbach dürfen 60 Zuschauer live miterleben, wie die Akteure mit Podiumsdiskussion und Faktencheck, Erzählungen von Jungunternehmern und Verbandsberichten die Herausforderung annehmen, Mitstreiter zu finden für etwas, bei dem Oberfranken (noch) weltweit führend ist: die Vielfalt und Anzahl an Lebensmittelproduzenten. „Wenn wir diese Struktur verlieren, verlieren wir ein riesiges Stück Lebensqualität und Identität“, sagt Christian Herpich.

Oberfranken hat die größte Brauereidichte der Welt, das ist bekannt und auch nicht in Gefahr. Der Bezirk hält aber auch den Weltrekord für die meisten regionalen Spezialitäten, die meisten Bäckereien und die meisten Metzgereien, gemessen an der Einwohnerzahl. Da geht es ans Eingemachte: Denn die Anzahl der Betriebe geht stark zurück. Hof hat so viele Metzger wie Berlin, in Oberfranken befinden sich halb so viele Schlachthöfe wie ganz Brandenburg – und das nicht, weil die Menschen in der Hauptstadt und drumherum weniger Fleisch und Wurst essen würden: Sie beziehen es nur von (oft sehr viel) weiter weg. Inklusive aller Folgen für Klima, Tierwohl, Arbeitsbedingungen und regionale Wertschöpfung. Der Lebensmittelgipfel soll zum positiven Ausrufezeichen werden, zur Innen- und Außenwerbung für ein Gewerbe, das mehr ist als nur eine Arbeit.

Zielgruppe sind die jungen Menschen, hauptsächlich – Thema Nachwuchsgewinnung. Die Azubizahlen sind nicht schlecht, aber auch nicht so gut, wie sie es mal waren. „Da fehlen uns die Ausbildungsmessen oder die Schulbesuche schon sehr“, sagt Herpich. Und auch jede groß angelegte Imagekampagne ist für ihn nur so gut wie die Wirkung auf die lokale Zielgruppe: „Auch in einem Imagevideo sehe und höre ich doch, ob das ein Model von irgendwoher oder ein echter Azubi hier aus der Region ist.“ So sollen in Kulmbach die sprechen, die wissen, worum es geht: die jungen Landwirte und die jungen Brauerinnen, die Akteure der Genussregion und die Schulleiter, die Vertreter von Handwerk, Bildungswesen und Verbandslandschaft. Ein „Faktencheck Lebensmittel“, gesehen aus der oberfränkischen Brille, steht genauso auf dem Plan wie Berichte von Jungunternehmern darüber, wie es ihnen geht, wo es läuft und wo es hakt. Zu den schwierigen Aufgaben gehört es, die richtige Balance zu finden, damit die Botschaft nicht falsch herüberkommt.

„Wir wollen kein Mitleid und wir wollen auch keine Selbstdarstellung betreiben“, sagt Christian Herpich. Dass es weniger Bäcker- oder Metzger-Betriebe gebe, sei nicht per se schlecht: „Eine gewisse Größe hat Vorteile“, sagt er, der als Metzger selbst Filialen betreibt. Da geht es auch um die Nachfolge-Frage im Alter – es bestehe die Gefahr, dass die Übergabe an die jüngere Generation zu lange hinausgezögert wird. „Aber da gibt es eben auch viele Positiv-Beispiele hier in der Region“, betont Herpich. Und zählt Lehrstellen-Radar oder Beratungs- und Austausch-Angebote der Kammern auf. So ist sein Wirken ums Handwerk angelegt: mit Ansporn, nicht mit Gejammere und Schimpferei. „Ärgern kann ich mich nur über Kollegen, die den Kopf in den Sand stecken und schimpfen.“ Und eben darüber, dass das Handwerk in den Heimatfilmen von ARD und ZDF nicht oft genug vorkommt, wenn es um Positiv-Beispiele für junge Leute geht.

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