Intendant Peter Cahn wegen Plakat fürs Sommerfestival in Kritik - "Keine Absicht" Dinkelsbühl: Aufregung um Werbung mit Kreuzigung

Von Michael Weiser

Aufregung in Dinkelsbühl: Wegen eines Plakates für die Sommerfestspiele zu muss sich der Intendant des Landestheaters Blasphemievorwürfen erwehren. Mit dem Kurier sprach Intendant Peter Cahn über den Widerspruch zwischen Text und Bild, die Freiheit der Kunst und einen Missgriff. „Ich will nicht provozieren um des Provozierens willen“, sagt Cahn.

 
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Hallo Herr Cahn, Sie haben ja mit Ihrem Plakat für beträchtliches Aufsehen gesorgt…

Peter Cahn: Wir haben das Plakat schon von Juristen prüfen lassen. Es ist definitiv keine Blasphemie. Da bin ich beruhigt. Das war keine Absicht. Obwohl wir als Theaterschaffende sehr viel Phantasie haben, hatten wir nicht die Assoziation gehabt, dass jemand die „besten Plätze“ am Kreuz vermuten könnte.

Wie waren denn die Reaktionen?

Cahn: Manche fanden’s bescheuert, manche stellten gleich „Jesus Christ Superstar“ in Frage. Da muss ich sagen, dass ich die Freiheit haben muss, die Stücke, die ich für richtig halte, in den Spielplan zu nehmen. Von wegen Blasphemie: Das Plakat ist nicht blasphemisch, das Stück ist es nicht, und „Don Camillo“ auch nicht. „Jesus Christ Superstar“ ist sehr aufwühlend, sehr menschlich, und es hat mitreißende Musik. Das war meine Entscheidung, weil es ein Musical mit tiefem Inhalt ist.

Als Intendant müssten Sie sich andererseits über Aufmerksamkeit freuen!?

Cahn: Nein, wenn jemand eine Inszenierung sieht und dann darüber spricht – das ist Aufmerksamkeit, über die ich mich freue. Schauen Sie, in der Zeitschrift „Theater heute“ werden Berichte „aus der Provinz“ gebracht, und da geht es um Ulm, Augsburg und so weiter. Wenn man das so sieht, sind wir ja Provinz-Provinz. Mir geht es nicht um billige Publicity, mir geht es um Inhalte. Wenn Sie sagen würden, „,Jesus Christ Superstar’, wow! Da würde ich gerne berichten“ – das wäre super, und das ist das Ziel meiner Arbeit.

Angesichts der Diskussionen um das Plakat stellt sich auch in Dinkelsbühl die Frage: Was darf Kunst?

Cahn: Kunst darf erstmal alles, wir dürfen uns nicht beschneiden lassen. Wir müssen tolerant sein. Ich erzähl’ mal ein Beispiel, das mich bewegt,. Am Theater werden oft Stücke über soziale Ungerechtigkeit aufgeführt. Und dann gibt es Häuser, wo der Neue beim Intendantenwechsel gleich mal zehn, fünfzehn Leute auf die Straße setzt.

Sie meinen Bamberg.

Cahn: Beispielsweise. Haben wir nicht auch als Theater die Verpflichtung, in unseren eigenen Häusern Verantwortung zu tragen und darauf zu achten, dass wir nicht so sind wie die, die wir kritisieren?

Heucheln darf Kunst also nicht...

Cahn: Erlaubt oder nicht – ich würde es so nicht machen. Ich meine, das beißt sich. Ich bin überzeugt vom Theater. Und ich bin überzeugt von „Jesus Christ“, von „Don Camillo“. Wenn ich hinter so was stehe, darf ich es machen.

Gibt es für Sie eine rote Linie?

Cahn: Ich will nicht Provozieren um des Provozierens willen. Sondern inszenieren, was Thema ist, was wir anschauen müssen. Ich muss mich immer fragen, für wen ich überhaupt Theater mache. Aber wenn es für mich wichtig ist, dass ich 50 Liter Schweineblut auf die Bühne kippe, dann muss das sein, auch wenn Leute mich vielleicht bitten könnten, das nicht zu tun. Ich habe keine Schere im Kopf. Sondern ich frage mich: Wie sehe ich das Stück, wie kann ich es umsetzen? Die rote Line ist weit gesteckt und letztlich nur von meiner Moralvorstellung geprägt.

Könnten Sie sich auch vorstellen, „Das Leben des Brian“ zu inszenieren?

Cahn: Ich werde nichts Diffamierendes spielen wollen. Meine Moral beruht grundsätzlich auf der Liebe zu den Menschen. Ich inszeniere nicht aus einem Hassfaktor heraus, ich will mit niemandem abrechnen. „Das Leben des Brian“ – ich persönlich lache darüber und mag es, ich würde es aber nicht auf den Spielplan setzen.

Und so etwas wie den Berliner „Idomeneo“ von Neuenfels, mit den abgeschlagenen Köpfen von Poseidon, Buddha, Jesus und Mohammed auf der Bühne?

Cahn: Würde ich nicht in den Spielplan nehmen. Aus meiner Überzeugung heraus. Ich setze auf Diskussion, und ich will nicht so weit schockieren, dass die Offenheit zur Diskussion weg ist. Ich bin ein Anhänger von Dario Fo. Und der sagte mal, man muss den Menschen zum Lachen bringen, und dann, wenn er lacht, den Nagel der Vernunft einschlagen. Deswegen wird man in meinen Spielplänen oft humorige Stücke finden. 

Wie sind denn eigentlich die Leute drauf, die Sie nun beschimpfen?

Cahn: Ich kenn die Leute ja oft nicht, das war ja anonym. Was die Diskussion darüber betrifft, habe ich einen Satz im Ohr. Und der lautet: Gott hat Humor. Das ist auch mein Glaube. Gott hat Humor.

Und Allah?

Cahn: Das weiß ich nicht. Ich kann das nur über meinen Glauben sagen.

Wie haben die Kirchen reagiert? Haben die die Zusammenarbeit aufgekündigt?

Cahn: Pfarrer Markus Roth, mit dem habe ich kürzlich einen Gottesdienst gestaltet, hat gesagt, das seien vereinzelte Menschen, die so empört reagieren, und nicht die Volksseele. Es gibt halt Leute, die in Briefen und E-Mails die Sache anonym anschüren. Auch mit Pfarrer Gronauer, dem evangelische Stadtpfarrer, ist die Zusammenarbeit wunderbar. Es finden auch wieder Diskussionveranstaltungen statt. Ich bin dann froh, wenn wir wegkommen von diesem Plakat und uns auf Inhalte konzentrieren.

Keine neue Hexenjagd in Dinkelsbühl?

Cahn: Nein, die sehe ich nicht. Dass ich als Kulturschaffender den einen oder anderen Brief bekomme, oder E-Mails – damit muss ich leben.